"Falscher Polizist": Vermeintliches Opfer dreht Spieß um

Symbolbild Betrugsmasche "Falscher Polizist"
"Falscher Polizist": Vermeintliches Opfer dreht Spieß um
Auflegen kam für die resolute 79-Jährige nicht in Frage: "Dann wäre der Spaß ja schon vorbei gewesen." Was die Ahauserin im Nachhinein augenzwinkernd einen Spaß nennt, besaß jedoch einen ernsten Hintergrund. Denn am anderen Ende ihrer Telefonleitung war ein Krimineller.

Der Betrüger hatte es mit einer Masche probiert, die tagtäglich Tausende von Adressaten in ganz Deutschland hat - mit der des "falschen Polizisten". Und diese Masche findet leider immer wieder ihre Opfer. Der Kriminelle mag auch in diesem Fall gedacht haben, dass die angerufene Ahauserin dazu zählt. Dass sie den Spieß umdrehte, ahnte er bis zum Schluss nicht. Dabei verlief das Gespräch aus Sicht der Betrüger ganz typisch - mit den üblichen Zutaten versehen: Dem Opfer mit einer frei erfundenen Geschichte Angst machen, emotional den Zugang finden, einen vermeintlichen Ausweg präsentieren - und abkassieren.

Die 79-Jährige hatte es sich gerade gemütlich gemacht, als an dem Februarnachmittag bei ihr das Telefon schellte. "Polizei Borken", meldete sich eine männliche Stimme. Der angebliche Kripobeamte gab sich leutselig: "Bei Ihnen ist ja was los in der Straße!" Routiniert tischte er der Seniorin die Lüge auf, dass ihre Adresse bei zwei festgenommenen Einbrechern gefunden worden wäre. "Mir war sofort klar, auf was er hinauswollte", sagt die Ahauserin im Gespräch mit Kriminalhauptkommissar Dirk Penker, zuständig für Prävention und Opferschutz in der Kreispolizeibehörde Borken.

Die Seniorin reagierte blitzschnell. Denn sie war nicht gewillt, die Betrüger einfach so davonkommen zu lassen. "Ich habe mich erst mal ganz ahnungslos gestellt und auf Zeit gespielt", schildert sie die Situation - und ließ sich scheinbar bereitwillig ausfragen darüber, ob sie Wertsachen im Haus habe und ob sie allein sei. Der Betrüger lenkte schließlich das Gespräch auf die Frage, wie es um das Bankguthaben der Frau stehe. Sie solle die Kontoauszüge dazunehmen. "Ich sollte sie holen und dabei weiter mit ihm am Telefon sprechen", so die Ahauserin. Doch in diesem Moment sah sie eine Chance, den Täter abzulenken und einen Nachbarn zu verständigen: "Ich habe ihm gesagt, dass ich das Telefon gar nicht mitnehmen kann, weil es an einer Schnur hängt", sagt sie schmunzelnd. Das stimmte zwar nicht - aber die Seniorin hatte den Täter ihrerseits jetzt soweit von ihrer Rolle als argloses Opfer überzeugt, dass er darauf hereinfiel.

Die Rechnung ging auf: Während die Ahauserin lautstark stöhnend den mühsamen Gang zum Schrank vortäuschte, schellte sie ebenso schnell wie leise bei den Nachbarn: "Da wollen mich welche abzocken! Polizei!" Das Spiel lief auf ein Ende hinaus, mit dem die Kriminellen nicht gerechnet hatten. Denn während die Ahauserin vermeintlich folgsam den Kontakt hielt und angeblich die Übergabe ihrer Kontokarte an einen Boten vorbereitete, trafen Kräfte der Polizei bei ihr ein. Unterdessen prallten die beiden "Strategien" am jeweils anderen Ende der Leitung weiter aufeinander, nur dass die der 79-Jährigen erfolgreicher war: Während der Betrüger ihr immer wieder Angst vor Einbrechern machen wollten, hielt die Ahauserin ihn immer weiter hin. "Fast anderthalb Stunden lang", berichtet sie.

Am Ende konnten die Beamten den Boten fassen, den der Betrüger zum Abholen der Beute geschickt hatte. Was sich hinterher herausstellte: Der vor Ort Festgenommene hatte selbst geglaubt, nur einen Kurierjob auszuführen. Die 79-Jährige hat das Geschehen gut verkraftet: "Ich habe keine Sekunde lang Angst gehabt." Und ihr Bruder hat seitdem einen neuen Spitznamen für sie, fügt sie lachend hinzu: "Miss Marple."

Großes Lob für ihr besonnenes Vorgehen hatte Dirk Penker beim Besuch in Ahaus mitgebracht: "Das ist schon sehr außergewöhnlich, wie Sie mit dieser Situation umgegangen sind." Klar ist aber auch: Nicht jeder vermag es, gegenüber den geschickt auftretenden Tätern so schlagfertig und geistesgegenwärtig den Spieß umzudrehen wie die Ahauserin. Aus Sicht des Experten ist es deshalb das Wichtigste, dass Angerufene schnell erkennen: Es sind Betrüger und keine Polizisten, die sich bei Ihnen melden. Dirk Penker: "Wer dann einfach auflegt, macht auch alles richtig."

 

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110