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Alle Wege führen nach Santiago de Compostela
Santiago de Compostela: Streifendienst auf dem Jakobsweg
Polizeikommissar Tristan Peters ging einen Monat mit der Guardia Civil in den ländlichen Zonen Galiciens auf Streife und nahm Kontakt zu den Pilgern, Herbergsbesitzern und Gaststättenbetreibern des Jakobsweges auf.
Polizei Düsseldorf, Tristan Peters

„Haben Sie Interesse an einer vorübergehenden Verwendung in Spanien?“ Diese Frage habe ich Ende März auf unserer Startseite im Intranet gelesen. Sogleich konnte ich diese innerlich bejahen und klickte auf den Hyperlink, um weitere Informationen zu gewinnen. Im Rahmen der Kampagne „Turismo Seguro“ (=Sicherer Tourismus) bittet die spanische  Guardia Civil (GC) um Unterstützung durch ausländische Polizeibeamtinnen und -beamte, welche zwecks Erkennbarkeit ihre landeseigene Uniform, Ausrüstung und Bewaffnung tragen sollen. 

Die für eine solche Verwendung erforderlichen Voraussetzungen erfüllte ich, sodass einer Bewerbung nichts im Wege stand. Neben den Balearischen und Kanarischen Inseln sowie den beiden Großstädten Alicante und Cádiz im Süden des Landes, stand noch Santiago de Compostela, die Hauptstadt des im Nordwesten gelegenen Galicien, zur Auswahl, welche für mich der Favorit war.  

Mitte Mai 2018 erhielt ich dann die Zusage für Santiago de Compostela, gefolgt von einem Telefonat des spanischen Polizeiattachés aus Berlin, um noch einige Formalien abzuklären. 

 

Herzlicher Empfang in Santiago de Compostela

Der Flug gestaltete sich unkompliziert. Die Waffe wurde getrennt von Munition in einem geschlossenen Behältnis als Sondergepäck aufgegeben und nur persönlich wieder ausgehändigt. Am Flughafen von Santiago de Compostela angekommen, wurde ich vom örtlichen Dienststellenleiter und meinem Tutor recht herzlich empfangen. In meinem Hotel war noch ein italienischer Kollege der Carabinieri untergebracht, welcher ebenfalls mit mir gemeinsam die Guardia Civil für einen Monat unterstützte.  

Wir hatten einen festen Dienstplan, bestehend aus Früh- und Spätdiensten, sowie meistens ein freies Wochenende. In den ersten Tagen haben wir verschiedene Polizeiquartiere in Galicien besucht, um uns bei den Führungsoffizieren sowie den anderen Kollegen der Guardia Civil vorzustellen. Neben der Guardia Civil wurden auch Dienststellen des Cuerpo Nacional de Policía (CNP), sowie der Policía Local aufgesucht, um auch diesen die Kampagne „Turismo Seguro“ vorzustellen. 

 

Erster Einsatz 

Sehr interessiert wurde die Kampagne dort zur Kenntnis genommen. Noch am selben Tag betrat eine deutsche Heranwachsende mit einem Hilfeersuchen die Wache der CNP. Sie hatte ihre Reisegruppe aus den Augen verloren und ihr Akku war leer, sodass sie zu dieser keinen Kontakt mehr aufnehmen konnte. Ich übersetzte ihr Anliegen, sodass ihr schnellstmöglich geholfen werden konnte. Sie war sehr froh und dankbar, dass ein deutschsprachiger Polizist vor Ort war.

 

Gemeinsam auf Streife mit einem Carabinieri

In den Folgetagen bekamen wir eine kurze Einführung in das spanische Polizeirecht und uns wurde der Aufgabenbereich der Guardia Civil sowie der Unterschied zu den anderen Polizeien in Spanien erklärt. Die Guardia Civil ist hierbei u. a. für die Sicherheit auf dem Jakobsweg zuständig. Mehrere hunderttausend Menschen aus aller Welt wandern pro Jahr durch die ländlichen Zonen Galiciens und benutzen hierzu die verschiedenen Pilgerwege, welche alle in der heiligen Stadt Santiago de Compostela enden. Das erklärte Ziel der Pilgerinnen und Pilger ist es, die dortige Kathedrale zu erreichen. 

So wurde mir schnell klar, dass wir uns nicht (nur) in Santiago de Compostela selbst, sondern primär auf den verschiedenen Pilgerwegen um die Sicherheit der Pilgerinnen und Pilger kümmern werden. Dadurch bedingt waren wir in einem sehr großen Einsatzgebiet unterwegs. 

Unsere Streifenbesatzung bestand in der Regel aus zwei Kollegen der Guardia Civil, dem italienischen Kollegen der Carabinieri und mir. Wir fuhren in einem Streifenwagen der Guardia Civil durch die ländlichen Zonen Galiciens und nahmen Kontakt zu den Pilgern, Herbergsbesitzern und Gaststättenbetreibern des Jakobsweges auf. In der Regel führten wir kurze Gespräche mit diesen und erkundigten uns nach ihrem Wohlbefinden. Trafen wir hierbei auf eine deutsche Pilgerin oder einen deutschen Pilger, so waren diese positiv über die Anwesenheit eines deutschen Polizisten überrascht. Selbiges galt natürlich, sobald wir auf italienischsprachige Pilgerinnen und Pilger trafen.

 

Feierliche Höhepunkte

Am 19. Juli empfing uns in Sarria (Provinz Lugo) neben hochrangigen Vertretern der Guardia Civil noch der Delegierte der galicischen Regierung Javier Losada. Es wurde öffentlich präsentiert, welche speziellen Maßnahmen die Guardia Civil ergreift, um die Sicherheit auf dem Jakobsweg zu gewährleisten. Hauptakteure waren Vertreter der Reiterstaffel der Guardia Civil und wir, die vier ausländischen Polizisten aus Portugal, Italien und Deutschland. Es folgten natürlich Pressefotos und kurze Interviews.

Am 25. Juli feiern die Menschen in Santiago de Compostela den Jakobstag im großen Rahmen. An diesem christlichen Gedenktag an den heiligen Jakobus (span. Santiago) findet regelmäßig auf dem Vorplatz der Kathedrale eine Zeremonie unter Beteiligung des spanischen Militärs statt. Höhepunkt der Zeremonie dieses Jahres waren einige Fallschirmjäger der spanischen Luftlandetruppen, welche auf dem Vorplatz landeten. Der gesamte Tag wurde volksfestartig gestaltet. So gab es neben musikalischen Darbietungen und sonstigen künstlerischen Aufführungen noch einen großen Jahrmarkt. Nicht nur bei den Einheimischen, sondern auch bei den vielen Touristen fand der Tag großen Anklang. 

 

Ernster Einsatz mit Gerichtsverhandlung

Unabhängig von den Feierlichkeiten, welche noch einige Tage andauerten, setzten wir unseren Dienst fort. Die Kriminalitätsrate auf dem Jakobsweg ist verschwindend gering. Daher gehörte Prävention und die Stärkung des Sicherheitsgefühls zu den obersten Prioritäten bei unserer Aufgabenwahrnehmung.  Nichtsdestotrotz kam es eines Tages zu einem versuchten Sexualdelikt zum Nachteil einer deutschen Minderjährigen. Ich nahm den Sachverhalt auf, übersetzte diesen für meine spanischen Kollegen und erklärte dem Mädchen und ihrer Mutter das weitere Vorgehen.  

Aufgrund der Tatsache, dass die Geschädigte wenige Tage später wieder nach Deutschland zurückkehren wird, wurde die Sache im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens abgehandelt. Dies bedeutete, dass unmittelbar am nächsten Tag die Gerichtsverhandlung begann, um die Aussage der Geschädigten gerichtlich aufzunehmen, bevor diese für das weitere Verfahren nicht mehr zur Verfügung steht. Ich begleitete die Geschädigte und ihre Mutter zusammen mit den spanischen Kollegen zum Gericht, um die Aussage der Geschädigten nochmals zu übersetzen. 

 

Fernsehauftritt mit der Kampagne „Turismo Seguro“

Gegen Ende meines dienstlichen Aufenthaltes in Spanien stand noch ein Termin mit dem spanischen Fernsehsender Telecinco an, welcher uns bei der täglichen Arbeit begleiten sollte. Unter Hinzuziehung der Reiter- sowie der Kradstaffel der Guardia Civil wurde eine kurze Reportage über die Kampagne „Turismo Seguro“ erstellt, welche mehrmals im spanischen Fernsehen ausgestrahlt wurde.

 

Der Dienst mit der Guardia Civil in Spanien war für mich eine neue und wichtige Erfahrung. Zunächst war es mir gewissermaßen eine Ehre, der erste deutsche Polizeibeamte des Landes Nordrhein-Westfalen zu sein, welcher im Rahmen der Kampagne „Turismo Seguro“ in Santiago de Compostela Dienst versehen durfte. Es war interessant, eine neue Art des Polizeialltags kennenzulernen, weitestgehend ohne Kriminalität, dafür mit äußerst aufgeschlossenen und netten Pilgerinnen und Pilgern. 

Ich wurde sehr gut von den spanischen Kollegen aufgenommen und integriert. Auch nach dem Dienst haben wir nicht selten gemeinsam etwas unternommen. Zuvor war ich noch nie in Galicien, weshalb es für mich viel zu entdecken gab, sei es dienstlich oder privat. Ich habe viele nette Menschen kennengelernt, mit denen ich auch weiterhin in Kontakt bleiben werde. Auch wenn mir die spanische Mentalität und Lebensweise bekannt ist, habe ich dennoch viel Neues gelernt, insbesondere in Hinblick auf die galicische Kultur und die galicische Sprache. Denn nicht selten wird im Alltag die spanische und die galicische Sprache vermischt, woran ich mich erst einmal gewöhnen musste.  

Ich habe mich sehr gefreut, dass ich an diesem Auslandseinsatz teilnehmen dufte und möchte mich auch bei den Verantwortlichen meiner Behörde bedanken, welche mir diese Teilnahme ermöglicht haben. Generell finde ich die internationale Zusammenarbeit der Polizeien vor allem in Zeiten der Globalisierung sehr wichtig. Diese sollte auch weiterhin gefördert und ausgebaut werden. Ich kann bisher zwar nur für  Santiago de Compostela sprechen, aber ich würde jedem Interessierten empfehlen, selbst die Erfahrung zu machen, einen Monat lang die Guardia Civil in Spanien zu unterstützen. Die Kampagne „Turismo Seguro“ wird sicherlich auch im nächsten Jahr weitergeführt werden. Nicht nur die spanischen Kollegen, sondern auch die deutschsprachigen Pilgerinnen und Pilger freuen sich über die Anwesenheit eines deutschen Polizisten in Santiago de Compostela.

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