Ein Pkw klebt an seinem Hinterreifen, auf der Gegenfahrbahn nähert sich ein Sattelschlepper. Es wird eng für Klaus Nowack. Dabei könnte er es theoretisch so bequem haben: Auf dem Radweg neben der Rheder Straße herrscht gähnende Leere. Doch was bei genervten Autofahrern manchmal Kopfschütteln und mitunter einiges mehr an negativen Reaktion auslöst, stellt ein korrektes Verhalten des Bocholters dar. Denn mit seinem Speed-Pedelec hat er auf einem Radweg nichts verloren.
Alltagsstress für den passionierten Zweiradfahrer: Tagtäglich fährt er mit seinem S-Pedelec von Bocholt nach Borken-Weseke zur Arbeit. Was er dabei an Erfahrungen macht, nimmt zum Teil bedrohliche Ausmaße an. "Es ist keine Seltenheit, dass Autofahrer mich ausschimpfen oder anhupen, dass sie mich gefährlich nahe überholen oder sogar abdrängen", sagt Klaus Nowack. Immer wieder heißt es, dass er doch den Radweg nehmen soll. Manchmal gelingt es Klaus Nowack, mit Autofahrern ins Gespräch zu kommen. "Viele sind dann erstaunt, dass ich mich richtig verhalte."
Denn Klaus Nowack nutzt für seinen täglichen Arbeitsweg ein Fahrzeug, das aus der Distanz wie ein gewöhnliches Elektrofahrrad aussehen mag. Wer näher hinschaut, sollte aber beim Blick auf den Rückspiegel und auf das Versicherungskennzeichen wissen, was er vor sich hat: ein Speed- oder in der Kurzform S-Pedelec. Dafür gelten andere Regeln als für normale Pedelecs. Denn S-Pedelecs bringen es mit Motor- und Muskelkraft auf eine Geschwindigkeit von 45 km/h. Der Gesetzgeber hat daraus die Konsequenz gezogen und diese Fahrzeug als Kleinkrafträder eingestuft.
Deshalb hat Klaus Nowack erst gar nicht die Wahl - er muss auf die Fahrbahn, auf den Teil der Straße, den die Kraftfahrzeuge nutzen. Und dort ist der 57-Jährige manchmal regelrechten Aggressionen ausgesetzt. Bei verbalen Ausfällen blieb es nicht. Ein Vorfall brachte ihn in große Gefahr: Anfang März war der Bocholter morgens auf der Rheder Straße in Richtung Burlo unterwegs. Der Fahrer eines Kastenwagens konnte wohl nicht so schnell überholen, wie er wollte und hupte den Zweiradfahrer an. An einer Ampel bremste der Autofahrer ihn absichtlich aus - Klaus Nowack stürzte und zog sich leichte Verletzungen zu. Die Schrammen am Lenker erzählen noch immer von dieser gefährlichen Situation.
"Die Ermittlungen laufen noch", unterstreicht Polizeihauptkommissarin Iris Röckinghausen. Das Mitglied des Verkehrs-Präventionsteams der Kreispolizeibehörde hat sich zum Gespräch mit Klaus Nowack getroffen - vor Ort in Burlo. Während der Feierabendverkehr in einem nicht abreißenden Strom von Fahrzeugen über die Rheder Straße fließt, spricht die Expertin mit dem passionierten S-Pedelec-Nutzer über seine Erfahrungen im Verkehrsalltag ebenso wie über die Regelungen, die für diese noch recht junge Fahrzeugklasse gelten. "Die rechtlichen Grundlagen sind eindeutig", unterstreicht sie. Denn im Unterschied beispielsweise zu einem Mofa darf das S-Pedelec auch außerorts nicht auf dem Radweg neben der Fahrbahn wechseln.
"Ich würde mir wünschen, dass sich das zumindest für den Bereich außerhalb geschlossener Ortschaften ändert", sagt Klaus Nowack. Er selbst hat für sich schon Konsequenzen aus seinen Erfahrungen gezogen: "Wenn es eben geht meide ich Bundesstraßen oder Landstraßen. Das ist mir da definitiv zu gefährlich." Würde er sich trotzdem noch einmal dafür entscheiden, ein Speed-Pedelec anzuschaffen? Da muss Klaus Nowack nicht lange überlegen: "Auf jeden Fall!" Der 57-Jährige winkt beim Abschied noch einmal kurz, dann muss er sich konzentrieren. Auf den Straßenverkehr.